05.03.2011

Eine Uni für NEETs

In Japan hat kürzlich die "nihon shakai fukki daigaku" ihre Pforten eröffnet. Übersetzt lautet der Name in etwa "Rückkehr in die Gesellschaft"-Universität (auch wenn das auf deutsch nun ein wenig unhandlich klingt). Dabei soll es darum gehn die sogenannten "NEETs" oder auch Hikikomoris wieder in die richtige Gesellschaft einzugliedern. Damit die Leute dabei trotzdem nicht aus ihren Häusern kommen müssen, gibt es natürlich auch die Möglichkeit das ganze per Internet zu absolvieren. Tolle Sache.
Ich denke mir zwar, wenn die Leute willens sind so eine Uni zu besuchen, dann müssten sie auch in der Lage sein aus eigener Kraft wieder Anschluss zu finden, aber nun ja, wenn es jemand hilft... *räusper*

Der Grund wieso ich das erwähne ist eigentlich auch nicht, dass ich den Lesern hier unbedingt mitteilen will, was für eine tolle Uni da entstanden ist.
Das Thema NEET und Hikikomori usw. ist ja für Japan ohnehin relativ typisch, und wahrscheinlich ist es nur eine Frage der Zeit bis die News auch irgendwo im Ausland ihre Runden macht, und die Leute dann wieder die Köpfe schütteln.
Dabei ist das hier aber mal wieder ein schönes Beispiel dafür, wie solche "verrücktes Japan" Themen in Japan selbst aufgenommen werden. Unter der News, über die ich vorhin bei Nico Nico Douga gestolpert bin sind nämlich auch Kommentare von Usern, und die lassen sich im großen und ganzen zusammenfassen mit "Was zur Hölle!?". Die meisten Leute machen sich eigentlich nur darüber lustig, oder merken z.B. an, dass sich so ein Uniabschluss nachher garnicht so toll auf dem Lebenslauf macht.

Leider werden solche Themen in deutschen Medien gern so dargestellt, als würden die Leute in Japan bei Sachen wie einer "NEET Uni" alle anerkennend nicken und fänden das eine tolle und richtige Sache. Aber eigentlich, wie bei vielen Themen auf denen ausserhalb von Japan so herumgeritten wird, finden's auch hier die Japaner selbst total seltsam, ja geradezu behämmert.
Mich nervt es jedes Mal, solche und ähnliche News in Deutschland zu sehn, die häufig so einen Unterton haben von "die Japaner sind ja voll verrückt!". Es wissen sicher die meisten, wovon ich rede. Vielleicht lassen sich solche Meldungen auf diese Weise besser verkaufen, aber im Endeffekt bringt es nichts als unnötige Entfremdung, wenn man versucht ein Land auf Teufel komm raus als "verrückt" und "voll anders" darzustellen. Da werden in Gedanken schonmal Mauern und Trennwände errichtet wo eigentlich garkeine sein müssten, und auf die Art wie viele Deutsche dann andere Dinge aus Japan wahrnehmen hat es natürlich auch seinen Einfluss.
Ich werde zwar wohlkaum die Medien als ganzes davon überzeugen können sowas in Zukunft mal bleiben zu lassen, aber vielleicht kann ich wenigstens im kleinen dafür sorgen, dass die Leute solche Meldungen aus Japan ein wenig skeptischer aufnehmen.
Lange Rede kurzer Sinn: Wenn es ein Deutscher voll komisch findet, dann findet's ein Japaner höchstwahrscheinlich ebenfalls komisch.

Ach ja, hier ist übrigens der Link zur Homepage der Uni, falls jemand an einer Einschreibung Interesse hat: http://www.ar-ltd.co.jp/support/ (Allein das Strichmännchen was da so schüchtern halb aus der Tür guckt ist schon einen Lacher wert =)

3 Kommentare:

  1. Im Prinzip auch nichts anderes als Arbeitsamt und Fortbildungen bei uns. Lediglich die ausdrückliche Bezeichnung als NEET Uni ist doch eher kontraproduktiv.
    Wie sieht denn eigtl. das Sozialsystem in Japan aus? Gibt es da auch sowas wie Hartz4 oder muss sich jeder privat absichern wie in den USA?

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  2. Ich bin mir nicht sicher was genau dort inhaltlich gelehrt werden soll, aber das ganze zielt wie's scheint schon ausdrücklich auf die soziale Seite des Problems ab.
    Arbeitsämter gibt es in Japan natürlich auch, "Hello Work" genannt, aber diese Uni kostet ja im Gegensatz dazu auch noch Geld. 75000 Yen pro Semester, etwa 700 Euro, was noch sehr moderat ist.

    Mit dem japanischen Sozialsystem kenn ich mich nicht besonders aus, aber einfach gut gehn lassen, wie in Deutschland, kann man es sich nicht. Der typische NEET oder Hikikomori wird ja auch von seiner Familie durchgefüttert.
    Dafür ist es aber gerade im Raum Tokyo auch einfacher erstmal irgendeine Arbeit zu finden um zumindest den Lebensunterhalt decken zu können. (Ginge evtl. in Deutschland auch, aber dafür sind sich viele vielleicht auch einfach zu fein und beziehn lieber Sozialhilfe) Wie es in den etwas ländlicheren Präfekturen aussieht weiß ich aber nicht. Stelle mir das dort irgendwie schwieriger vor, was vermutlich auch ein Grund (wenn nicht DER Grund) für die Landflucht ist.

    Und so ein lockeres Anstellungsverhältnis ist auch vielerorts der Eintrittspunkt in eine Firma. Es werden dann z.B. eine ganze Reihe Leute eingestellt, und wer sich gut macht bekommt ein festes Anstellungsverhältnis angeboten, bzw. eine bessere Position. Bei Jobs mit Aussicht auf sowas wird das dann auch oft direkt in der Stellenanzeige mit erwähnt. Sozusagen ein Äquivalent zur Aus- bzw. Weiterbilung.

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  3. Hallo Miew, ich kann dein Genervtsein über die deutsche Kuriositäten-Berichterstattung zu Japanthemen gut verstehen. Ich lebe momentan selber in Japan und nerve mich im Bereich des deutschen Anime/Manga-Fandoms auch allmählich über Fans, die bei Anime- und Merchandising-News in Blogs und Foren immer verächtlich alle japanische Fans in einem Topf werfen und mit dem Etikett "Otaku" versehen, als ob diese eine homogene Masse unkritischer Spinner sei, denen man alles andrehen könnte und von denen sie sich tunlichst distanzieren wollen.

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