12.09.2010

Working Holiday in Japan

Ich denke mal es ist keinem ein Geheimnis, dass es eine Menge junger Leute gibt die sehr an Japan interessiert sind und auch sehr gerne mal dort hin in den Urlaub fahren würden. Ersichtlich wird das zum Beispiel, wenn man sich die Kommentare von Posts wie diesem hier durchliest, wo sich jeder zweite wünscht auch mitgegangen sein zu können.

Wie ich selbst dort in den Kommentaren angemerkt habe, gibt es als Alternative zum normalen Urlaub zum Beispiel auch das Working Holiday Programm, welches eine sehr interessante Möglichkeit darstellt eine längere Zeit in Japan zu verbringen. Um mal ein wenig zu erklären was das ist:
Bei einem normalen Urlaubsaufenthalt in Japan lässt man sich nach der Einreise ein Touristenvisum ausstellen. Dieses gilt für 3 Monate, kann mit Begründung auf 6 Monate verlängert werden und erlaubt natürlich NICHT sich im Land beruflich zu betätigen, sprich zu arbeiten und Geld zu verdienen.
Working Holiday ist im Grunde nichts anderes als ein Visum, welches es zuvor von Deutschland aus zu beantragen gilt, und mit dem man bis zu einem Jahr lang in Japan bleiben darf und auch direkt eine Arbeitserlaubnis hat.
Das bedeuted, dass man sich einen längeren Aufenthalt direkt vor Ort finanzieren kann, indem man in Japan arbeitet. So hat man nicht nur einen Aufenthalt der um ein Vielfaches länger ist als jeder Urlaub, sondern ist auch sehr nah am Alltagsleben, was sicherlich auch viele interessieren dürfte.

Für ganz Arme ist das leider auch keine Möglichkeit, da man erstmal gut 2000€ + Flugtickets vorweisen können muss, um das Visum überhaupt zu erhalten. (Siehe offizielle Voraussetzungen) Als eine billige Alternative zum Standardurlaub kann man es also nicht bezeichnen. Wobei man allerdings, gemessen an der Zeit die man dann im Land verbringt, sehr günstig wegkommt, oder vielmehr ohne im Voraus große Reichtümer anzuhäufen.
Interessant ist die Geschichte denke ich vor allem für Schulabgänger die noch keinen Studien- oder Ausbildungsplatz haben, oder solche die das Studium gerade abgeschlossen haben und noch nicht wissen wie es weiter gehen soll.

Ich denke mal die Skepsis, ob das überhaupt klappen kann, wird jetzt bei vielen groß sein, aber tatsächlich kenne ich einige Leute die so einen Urlaub ein Jahr lang durchgezogen haben. In der Tat schafft es meiner Erfahrung nach der größte Teil derjenigen, die so nach Japan gehen, auch das komplette Jahr da zu bleiben.
Eigentlich unnötig zu erwähnen, dass so eine Sache auch mehr Vorbereitung erfordert als ein normaler Urlaub von 1-3 Wochen. Das Ziel ist es schliesslich, am Ende eines jeden Monats bei +/- 0 Yen (oder besser) heraus zu kommen, und sich so den Urlaub IM Urlaub zu finanzieren. Daher eben "Working Holiday".

Wahrscheinlich stellen sich die meisten nun die Frage "Was soll/kann ich in Japan arbeiten?" und eine Pauschalantwort gibt es da nicht. Was man arbeiten kann hängt von den eigenen Fähigkeiten ab. Damit meine ich weniger spezielle Berufsausbilung in irgendeinem Fachbereich, sondern eher Dinge wie Japanisch- oder Englischkentnisse und Anpassungsfähigkeit. Eine feste Anstellung bei irgendeiner Firma wird man wohl kaum mal eben so finden, zumal die derzeitige Wirtschaftskrise auch den japanischen Arbeitsmarkt stark in die Mangel nimmt. Abgesehn davon stellt eine Firma sicher ungern jemanden ein, dessen Visum auf 1 Jahr befristet ist.
Auf der anderen Seite ist es aber in Japan, verglichen mit Deutschland, grundsätzlich einfacher irgendeinen Job zu finden.
Da die japanische Sozialhilfe mager ausfällt sind zum Beispiel auch Leute ohne feste Anstellung gezwungen, einen kurzfristigen Teilzeit oder auch Vollzeitjob irgendwo zu machen, bis sie wieder etwas festes gefunden haben. Auf der anderen Seite gibt es aber in Japan (oder vielleicht sollte ich eher sagen im Großraum Tokyo, für andere Regionen kann ich nicht sprechen) auch die Möglichkeiten dazu.
Ich kann es nicht mit Statistiken belegen, aber rein vom Gefühl her ist die japanische Gastronomie im Vergleich zu Deutschland enorm groß. An wirklich jeder Ecke steht irgendein Restaurant, und nicht selten sucht man dort per Aushängeschild nach Bedienungen bzw. Kellnern/Kellnerinnen.
Einige der Working Holiday Maker die ich kennengelernt habe, arbeiteten in solchen Restaurants (besonders natürlich in solchen mit irgendeinem Auslandsbezug in Sachen Image etc.) auch ohne große Japanischkenntnisse.

Eine andere Möglichkeit ist die Arbeit als Englischlehrer. Englisch sprechen zu können ist in Japan nicht nur super cool und hip, sondern auch beruflich von Vorteil. Da der Englischunterricht in der Schule aber meist nicht ausreicht damit die Leute auch wirklich sprechen können (dort Pauken die Kinder irgendwelche grammatikalischen Regeln wie konjugieren, was es im japanischen nicht gibt, und am Ende können sie trotzdem keinen eigenen Satz bilden. Der Fairness halber muss aber gesagt sein, dass es natürlich für japanisch-Muttersprachler deutlich schwerer ist Englisch zu lernen als für Deutsche, da sich Deutsch und Englisch nun mal sehr viel ähnlicher sind als Englisch und Japanisch.) gibt es eine Menge an privaten Englischschulen die den Fokus auf Konversation legen.
Leider hat die "Japan Association for Working Holiday Makers" wie es aussieht ihre Pforten geschlossen, denn dieser Ort war mal eine Anlaufstelle für Jobsuchende mit Working Holiday Visum, wo auch Sprachschüler vermittelt wurden.
Dank der hohen Nachfrage nach Englischunterricht und den positiven Vorurteilen hinsichtlich Europäern in Bezug auf Englisch sollte es dennoch gut möglich sein, sich als Privatlehrer ein wenig dazu zu verdienen.

Apropos Vorurteile: Europäer können Englisch. Besser gesagt: "Weisse" können Englisch. Offenbar  glauben viele Japaner, dass man in Deutschland auch Englisch spräche, oder das Deutsch genau das Gleiche sei wie Englisch. Japaner sind also in der Hinsicht genauso ignorant wie Deutsche, die oft nicht zwischen Japan und China, bzw. ostasiatischen Ländern generell, unterscheiden. (Zitat: "Liegt Japan nicht in China!?")
Weissen Europäern kommt das natürlich zugute, auch wenn sie vielleicht angesichts der Ignoranz mit den Zähnen knirschen mögen. Für dunkelhäutigere oder gar asiatische Menschen sieht es natürlich wieder anders aus: Da ist der Zweifel groß, ob so jemand denn tatsächlich Englisch sprechen kann, bzw. ob das denn überhaupt richtiges Englisch ist. Selbst ein Asian-American, der perfektes Englisch spricht weil er nunmal in den USA aufgewachsen ist, wird da kritisch betrachtet.
Auf der anderen Seite: Bringt ein Weisser auch nur ein "Konnichiwa" hervor, wird er mit Lob überhäuft. Bei Asiaten dagegen, egal wo sie aufgewachsen sind, werden umfassende Japanischkenntnisse als Selbstverständlichkeit hingenommen.
Um noch ein wenig weiter abzuschweifen: In Deutschland ist z.B. das Bild eines chinesischen Einwanderers sehr positiv. Chinesen gehen nach Deutschland um dort China-Restaurants zu eröffnen (Hurra, Klischee) oder zu studieren. Sie gliedern sich ein, sind fleissig, nett, etc.
In Japan ist es genau andersrum: Hier ist der stereotype Chinese derjenige, der aus China vor den schlechten Bedingungen flieht, es sich in Japan gut gehen lassen will, und dabei statt ordentlich zu arbeiten lieber kriminell wird, keine Manieren kennt usw. Ähnlich ist es mit Philippinos oder Thais. Also ungefähr die gleichen Vorurteile, die man in Deutschland gegenüber Türken hegt.
Deutsche oder Amerikaner die nach Japan gehen sind dort meist geschäftlich und im Anzug, oder eben als Urlauber unterwegs.
Somit ist es kein Wunder, dass die Leute in Japan ebenfalls unterschiedliche Vorurteile gegenüber verschiedenen Sorten von Ausländern haben, ob Negative oder Positive.
"Von nichts kommt nichts", und gänzlich unbegründet sind die zahlreichen Vorurteile sicher nicht, aber auf jeden Einzelnen passen sie nunmal nicht, wie wahrscheinlich jeder bestätigen kann.
Deutschland ist ethnisch sehr viel bunter als Japan (das soll keine Anspielung auf Hautfarbe sein =P) und viele die sich selbst als Deutsche sehen, werden vielleicht von Japanern garnicht so wahrgenommen, aufgrund irgendwelcher Äusserlichkeiten. Ich will nicht sagen, dass man dann schlechtere Chancen hat, aber gerade ohne sehr gute Japanischkenntnisse braucht man wohl ein etwas dickeres Fell.

Nun gut, zurück zum eigentlichen Thema:
Wie weiter oben beschrieben, ist es also in Japan denke ich grundsätzlich einfacher, irgendetwas zu finden. Um z.B. in Deutschland als Studentin irgendwo in der Nähe eine Arbeit als Kellnerin zu finden muss man schon Glück haben - in Japan sollte das aber grundsätzlich kein Problem sein. (Was natürlich dennoch nicht heißt, dass es für jeden Working Holiday Maker leicht ist etwas zu finden.) Der Hauptgrund dafür ist vermutlich ganz einfach die sehr viel höhere Bevölkerungsdichte im Großraum Tokyo.

Auf der anderen Seite steht dann natürlich die Frage, wo man überhaupt wohnen soll, bzw. was das Leben in Japan denn so kostet.
Ein Jahr lang im Hotel zu hausen ist sicher eine angenehme Vorstellung, aber da es schwer sein dürfte einen Job zu finden der viel mehr als 100 000 - 120 000 Yen im Monat beschehrt, fällt ein Hotel mit 3000-5000 Yen pro Nacht natürlich aus. Um euch die Rechnerei zu ersparen: Ein Hotel mit 3000 Yen pro Nacht (was schon extrem günstig wäre) kostet im Monat 90 000 Yen, d.h. es blieben dann noch etwa 10 000 bis 20 000 übrig, zu vergleichen mit 100-200€. Das würde heißen man könnte gerade so Leben, dass man nicht Hunger leiden muss. Also nicht das was man sich für einen Urlaub wünscht, zumal man ja auch hin und wieder mal irgendwo hin gehn möchte.

Als günstige Möglichkeit gibt es sogenannte "Gaijin Houses", also "Ausländerhäuser", in denen man sich die Wohnungen mit anderen Leuten teilt, und dann natürlich auch Dinge wie Kochmöglichkeiten zur Verfügung gestellt bekommt. Einen Platz im Gaijin House gibt es schon ab 40 000 Yen pro Monat, auch wenn man dafür dann sicher keinen Luxus erwarten darf, und erst recht keinen Zimmerservice oder so.
Vielleicht ist nicht jeder begeistert von der Idee, sich ein Zimmer mit "jemand Fremdes zu teile", aber andererseits hat man so zumindest auch jemanden mit dem man sozusagen im gleichen Boot sitzt.
Über die verschiedenen Gaijin Houses hört man übrigens immer wieder gute wie auch schlechte Stories. Ich kann da keine Empfehlung für irgendwas aussprechen, aber würde auf jeden Fall dazu raten, für die erste Woche im voraus ein Hotelzimmer zu mieten, und dann das entsprechende Gaijin House vor dem Einzug erstmal unter die Lupe zu nehmen. Mit der einen oder anderen Kakerlake muss man in Japan rechnen, aber mit Mäusen oder so zusammen zu leben ist nun nicht üblich. Auf Nummer sicher gehn schadet nie. Natürlich sollte man auch einige Ersatzaddressen bereit halten, falls das geplante Appartment wirklich so daneben ist, dass man dort nicht wohnen möchte, bzw. falls man später einfach mal umziehen will um eventuell näher an die bis dahin gefundene Arbeitsstelle zu kommen.

40000 Yen, also etwa 400 Euro für einen Monat wären übrigens in der Tat sehr günstig. Zum Vergleich: Ich selbst wohne in einer 30m² Wohnung, also nicht wirklich geräumig, welche ebenfalls 40000 Yen im Monat kostet. Dazu kommen dann allerdings noch Strom-, Gas-, Internet- und Wasserkosten. Der Abschluss des  Mietvertrages hat zudem das 2-3 fache einer Monatsmiete an Schlüsselgeld etc. gekostet, was so üblich ist, und möbliert war die Wohnung selbstverständlich auch nicht.  Ich denke also wenn man irgendwo für 50 000 - 60 000 Yen im Monat spontan wohnen kann, dann ist das wirklich keine Abzocke. Zumal solche Gaijin Houses oft noch zentraler in Tokyo liegen, wo die Wohnungspreise nochmal eine Ecke höher sein dürften.

Übrigens liegt der Mindestlohn für Jobs normalerweise bei 750 Yen pro Stunde, nicht selten sind es jedoch auch 950 Yen pro Stunde, besonders wenn man in einem Restaurant gegen Abend arbeitet oder ähnliches. 100 000 Yen oder mehr sollten also machbar sein, was noch etwa 50 000 Yen übrig lassen würde für den Eigenbedarf. Je nach Anspruch geht etwa die Hälfte davon in Nahrungsmittel, und übrig bleiben dann so ca. 25 000 Yen zur freien Verfügung, mal ganz grob überschlagen.

So. Zu jedem einzelnen Thema das ich jetzt angerissen habe liesse sich sicher noch sehr sehr viel mehr schreiben, aber einen Gesamteindruck konnte ich vielleicht vermitteln. Falls noch speziellere Fragen offen sind, versuche ich die natürlich gern in der Comments Sektion zu beantworten.

4 Kommentare:

  1. Super Artikel, Miew! Hat mich sehr interessiert.
    Zum Work&Travel-Visum sollte noch hinzugefügt werden, dass man als Voraussetzung (neben dem Geld) auch ein bestimmtes Alter haben muss: ...who are between the ages of 18 and 30 inclusive...

    Schade, das Visum werd ich dann wohl nicht mehr bekommen, aber nichtsdestotrotz ist Japan auf meiner Reiseliste ganz oben.

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  2. Japan liegt nicht in China!???!?!?!?!!
    Du raubst mir alle Illusionen :(

    Wirklich guter Artikel. Diese Gaijin Häuser scheinen Interressant zu sein. Gibts da Internet? Und kann man die auch nur für einen Monat mieten?
    So wie´s jetzt nämlich aussieht, werde ich irgendwann zwischen Mai und Juli für ~1 Monat kommen und unter Umständen muss ich meien Uni-Arbeit mitnehmen und vor Ort erledigen. Außerdem würde ich ohne Internet sterben..

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  3. Hmm, ob es da Internet gibt weiß ich garnicht. Ist vielleicht auch von Ort zu Ort unterschiedlich. Sollte dann aber auf der jeweiligen Seite beschrieben stehn. Da Internet inzwischen ja standard ist, würde ich vermuten, dass es in den meisten Gaijin Houses schon eine Möglichkeit gibt an's Internet zu kommen.
    Mieten für 1 Monat sollte aber kein Problem sein.

    Ich war vor einiger Zeit auch mal eine ganze Weile internetlos. Ist schon nervig, vor allem am Anfang, wenn man immer noch denkt "Ach, das mal eben nachgucken" und dann merkt, dass es nicht geht. Aber nach einer Weile gewöhnt man sich daran. Dann habe ich nur noch vermisst, einfach mal irgendwelche Videos gucken zu können zum abschalten. Ist auch ein wenig beruhigend, festzustellen, dass man doch noch ohne die Technik leben kann. =)
    Aber wenn du Arbeit fertig stellen musst ist es natürlich eine andere Sache, und im Grunde brauchst du dann ja auch eine gewisse Ruhe (brauche ich zumindest um sowas zu schreiben), da könnte es in so einem Gaijin House vielleicht schwierig werden.
    Wäre es nicht eh angenehmer, dann nach Japan zu fliegen wenn die Arbeit fertig ist? Sonst hat man doch ständig die Uni im Kopf. Oder ist die Zeit danach auch schon belegt?

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  4. Zwei Freunde von mir leben zurzeit in Tokyo. Einer schon zwei Jahre, der andere "nur" eins und wird gegen Ende des Jahres, wenn sein Studium vorbei ist, wieder nach Deutschland kommen. Als ich die beiden im Juli besucht habe, erzählten sie mir von recht ähnlichen Erkenntnissen.
    Vielleicht schaffe ich es ja, in den nächsten Jahren auch mal etwas länger dort zu bleiben. Aktuell geht die Arbeit hier jedoch vor. Das Auto zahlt sich nicht von alleine ab...

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