Vielleicht liegt es an den Blogs in die ich bisher so reingestolpert bin (und wo es ständig irgendwie um K-on! geht), aber irgendwie scheint die ganze Sache um "Moe", was ja letztendlich nur ein Überbegriff ist für eine Reihe an Stereotypen und Klischees, schon sehr zu beschäftigen. Zumindest habe ich in der letzten Wochen 2 Artikel gesehn die sich damit befassen. Einmal hier, wo es um den Hype um diesen Begriff und andere abgedroschene Dinge in Anime geht, und dann hier wo es um die Konflikte geht, die durch die Sache unter Animefans entstehn.
Ich will einmal versuchen ob ich die Dinge aus einer etwas anderen Perspektive beleuchten kann, und damit vielleicht erklären woher der Moe Wahnsinn kommen könnte, wieso "Moe sells", wie ZakuAbumi das in dem oben gelinkten Artikel beschrieben hat, und wieso das so viel Zündstoff liefert.
Mir fällt leider keine besonders gute Einleitung ein, deswegen mach ich es einfach:
Warum sind diese Dinge in letzter Zeit so beliebt?
Ich möchte mich da nicht zu weit aus dem Fenster lehnen mit Spekulationen, aber es hat (neben einfachem "sex sells" zum Teil) wohl auch mit einer gegenwärtigen demographischen Entwicklung in Japan zu tun. Ich muss also ein bisschen ausholen.
Das klassische Bild der Hausfrau, die sich den ganzen Tag um Haushalt und Kinder kümmert, während der Mann arbeitet und das Geld heranschafft ist in Japan noch relativ stark in den Köpfen verhaftet, zumindest im Vergleich zu Europa, den USA usw.
Die Sache befindet sich so langsam im Umbruch, jedoch auch nur teilweise. Viele junge japanische Frauen haben keine Lust mehr, nach der Heirat praktisch auf Lebenszeit an die Rolle der Hausfrau gebunden zu werden, ihre Selbstständigkeit zu verlieren und ständig vom Mann abhängig zu sein. Stattdessen soll sich auch der Ehemann mit um Haushalt und Kinder kümmern, während Frau auch mal Karriere machen möchte. Zwar steigt auch die Zahl der Männer die das so akzeptieren, aber das "Gender Wage Gap" beispielsweise, der Unterschied zwischen dem Durchschnittslohn für Männer und dem für Frauen, ist noch immer sehr hoch. Männer in Japan verdienen gut 50% mehr als Frauen, in Deutschland sind es "nur noch" etwa 20%. Japan hinkt in dieser Hinsicht also der Entwicklung in anderen Industrieländern hinterher. Das Bild der "Frau am Herd" ist doch noch relativ stark.
Gleichzeitig ist aber auch der Einfluss westlicher Medien und Kulturen relativ groß, und das Frauenbild das von dort gezeigt wird ist ein ganz anderes. Wie genau nun europäische Frauen in den Medien dargestellt werden, darüber kann man sich im einzelnen zwar sicherlich auch streiten, aber Japanerinnen nehmen diese oft als sehr stark und emanzipiert wahr, und bewundern dies auch.
Als Folge solcher Dinge besitzt Japan zur Zeit einen sehr hohen Anteil an weiblichen Singles im Alter von 20-40 Jahren, angeblich sogar einen der höchsten weltweit. Viele Frauen scheinen sich einfach quer zu stellen, da sie sich nicht unterordnen wollen, aber entweder keinen Partner finden der das akzeptiert, oder selbst ein sehr festes (und schlechtes) Bild von Männern in der Ehe haben, und darum von vorneherein von der Idee einer Partnerschaft und Heirat weniger begeistert sind.
Wenn man sich so umhört sind die Meinungen jedenfalls nicht unbedingt sehr hoch, was bei vielen auch an den schlechten Eindrücken liegen mag die sie von der Elterngeneration mitbekommen haben - andauernd hört man wieder irgendwas von Fremdgehn etc.
Rein statistisch und auch oft vom persönlichen Eindruck her ist es also in Japan vergleichsweise kalt zwischen Mann und Frau (was natürlich nicht heißt, dass es nicht trotzdem auch eine Menge glücklicher und guter Paare gibt, wenn das jetzt zu sehr nach Schwarzmalerei geklungen hat).
Der Bedarf bei Männern ist natürlich dennoch vorhanden. Wie gesagt kommt aus der Elterngeneration oft noch das Bild eines starken Mannes (Ein japanisches Sprichwort lautet "地震、雷、火事、親父" - jishin, kaminari, kaji, oyaji - 4 Dinge die Japaner am meisten fürchten, in absteigender Reihenfolge: Erdbeben, Blitzschlag, Brände ... und der Vater =P ), was natürlich auch einen großen Einfluss hat. Der Junge will gern in die Fußstapfen seines alten Herren treten, aber als starker Vater kann er sich natürlich nur an Seite einer entsprechend schwächeren Frau profilieren, die zu finden in letzter Zeit eben etwas schwieriger geworden ist als noch vor 50 Jahren.
Aus diesen gesellschaftlichen Unstimmigkeiten lässt sich dann auch gut Kapital schlagen indem man eine Ersatzbefriedigung liefert, wie zum Beispiel die Maid Cafes, in denen die Bedienungen die Gäste wie Könige behandeln, und ihnen die Hände oder Füße massieren und weiß der Teufel was noch. Ok, das klang nun etwas versaut. Aber es haben ja sicher die meisten schonmal von diesen Cafes gehört. Die Angestellten dort zeigen genau die Unterwürfigkeit und Untergebenheit, die sich Männer im echten Leben von Frauen evtl. wünschen.
Und auch wenn die Idee so bedient zu werden sicherlich vielen europäischen Männern ebenfalls zusagen mag, denke ich nicht, dass im Ganzen genug Interesse da wäre, um so eine Sache ähnliche Ausmaße annehmen zu lassen wie in Japan. (Natürlich muss man dazu sagen, dass in Japan Kunden in jedweder Form prinzipiell schon sehr viel vornehmer behandelt werden, und auf diese Grundlage bauen die Maid Cafes natürlich auf und führen es noch weiter. Also allein darum lässt sich das alles schwer vergleichen. Trotzdem sind Maid Cafes in Japan ja auch erst in den letzten Jahren aufgetaucht, es hat also eine Entwicklung stattgefunden.)
Aber nicht nur Maid Cafes, sondern eben auch viele Anime und Manga greifen solche Bedürfnisse bei Männern auf, indem sie Charaktere beinhalten die das repräsentieren, was sich die japanischen Männer so sehr wünschen: Eine gewisse Unselbstständigkeit und Unbeholfenheit, Schüchternheit und Unsicherheit, und gleichzeitig aber auch sehr viel Hingabe und Unschuld. (Also die typischen Merkmale von Moe Charakteren.) Selbstverständlich sind das Eigenschaften die auch nicht-japanische Männer bei Frauen positiv finden können, denn es weckt vermutlich Beschützerinstinkte usw., aber wie gesagt hat der unbefriedigte Bedarf in Japan eben viel größere Ausmaße als anderswo, was meiner Meinung nach auch auf die oben genannten demographischen Faktoren zurückzuführen ist.
Bei solchen Frauen kann der Mann dann Beschützer sein und Versorger, und seiner Partnerin auch einen gewissen Halt bieten. Im Grunde also nichts negatives, aber bei Anime Charakteren bleibt das ganze natürlich Fantasie. (Es sei denn man kauft sich so ein komisches Kissen, das man dann heiratet und mit in den Vergnügungspark nimmt...)
In der Otaku Szene kommt dies alles natürlich besonders gut an, da Otaku Männer auch in Japan nicht gerade dafür bekannt sind anziehend auf Frauen zu wirken, was das Problem für sie als Gruppe natürlich noch verschärft. Dazu ist es sehr einfach in Anime und Manga, durch die ständige Überzeichnung, solche Werte sozusagen "herauszukondensieren", in den Mittelpunkt zu rücken und nicht zuletzt auch zu vermarkten durch Poster, Figuren, etc.
Was man in den ganzen Moe Anime dann schliesslich sieht ist letztendlich die überspitzte Darstellung des Bedürfnisses dieser Männer, nach den etwas verloren gegangenen "klassischen Werten" japanischer Frauen, wenn auch zum Teil sehr verzerrt dargestellt.
Dass sich das ganze dabei in Richtung Kindchenschema entwickelt ist wohl ein unglücklicher Nebeneffekt. Typisch kindliche Eigenschaften decken sich eben mit den Bedürfnissen, die durch o.g. Entwicklung entstehen. Dass dabei hin und wieder mal Leute über die Stränge schlagen, ist natürlich tragisch.
Um das Thema Pädophilie noch einmal anzuschneiden:
Über die Gesamtzahl allgemeiner Sexualverbrechen in Japan im Vergleich zu Deutschland etc. kann ich nichts sagen. Zum einen kenne ich keine Statistiken, und zum anderen bleibt auch immer die Frage der Dunkelziffer. Grundsätzlich sind die Sexualstraftaten in Japan eher zurück gegangen seit die Zensurgesetze bzgl. Pornographie gelockert wurden, und einen Grund anzunehmen, die Dunkelziffer sei dann im Gegenzug gestiegen, sehe ich auch nicht. Das sind allerdings nur allgemeine Zahlen, die verdeutlichen, dass Pornographie an sich die Leute nicht etwa "auf dumme Gedanken" bringt, sondern wahrscheinlich eher wie ein Ventil wirkt. Wie sich das nun mit den oben beschriebenen Dingen verhält ist die Frage. Um es mal vorsichtig zu formulieren: Ich denke ein gewisser Bedarf an kindlichen Werten in Verbindung mit Partnerschaft und damit auch Sexualität ist in Japan vorhanden und eventuell sogar angestiegen. Ob die grenzwertigen Darstellungen im Anime Bereich das aber anheizen, oder den Leuten ein Ventil bieten, kann ich nicht sagen. Beispiele legen eher letzteres nahe.
Was heißt das nun im Umkehrschluss? Vielleicht sind ja deutsche Fans von Moe Anime auch im echten Leben eher an Frauen interessiert neben denen sie als starker Beschützer stehen können (um es mal positiv zu formulieren ;)
Das wäre zumindest per se denke ich nichts schlechtes. Auch wenn deutsche Frauen im Vergleich zu Japanerinnen emanzipierter sein mögen, gibt es ja Leute die sich auch solche Männer wünschen. Die Frage ist nur ob der Durchschnittsotaku das erfüllen kann... nein, vielmehr ob er ein passendes Bild abgeben kann. Aber da schweift es jetzt zu sehr ab in allgemeine Beziehungsdinge.
Falls sich also echt jemand mein Gelaber bis hierhin durchgelesen haben sollte, kann er sich nun gern noch die Zeit nehmen und seine Meinung in die Kommentare schreiben.
Also quasi: Mögen Moe Fans auch im RL Frauen die charakterlich ähnlich den "Moe Charakteren" sind, so wie es in Japan zu sein scheint?
Hör auf so viele interessante Beiträge zu machen, sonst kann ich meine Lesenswertartikel gleich in "Was passiert auf Miews Blog" umbenennen :]
AntwortenLöschenIch würde deiner These ganz vorsichtig nicht zustimmen. Moe ist etwas, was mich auch ganz stark begeistern kann. Aber ich bin ganz garantiert keiner, der kleine Mädchen beschützen möchte. Verantwortung nehme ich nur ungern. Ich würde solche Mädchen im Real Life nicht bevorzugen. Aber ich bin auch kein extremer Moefan. Wollen wir hoffen, dass Shino mal hierher findet.
Meine Augen sind jetzt verbraucht..
AntwortenLöschenWär cool wenn du ein bis zwei Moe-Bilder mit reingepackt hättest. Natürlich nur zu Demonstrationszwecken ;)
Ich bin mir nich sicher, aber ich glaube ich habe mir echt noch nie nen Moe Anime angesehen.. obwohl ich glaube, dass ich es gut finden würde. Aber auch nur, wenn´s gleichzeitig echt lustig wär. Mein Beschützerinstinkt is glaub ich ganz groß, aber ich denke selbstständigkeit ist schon wichtig. Also wenn ich ne Freundin hätte, die den nen Pulitzer gewinnt und mich total inden Schatten stellt damit, dann wäre ich trotzdem wahnsinnig stolz auf sie. Aber ich denke, wie du sagst, dass hier in Deutschland das eh nich ganz so extrem ist.
Ach und du hast was vergessen
Das, wovor die Japaner sich am allermeisten fürchten ist doch immernoch ゴジラ :P
Ach, die obligatorischen Moe Bilder habe ich wohl vergessen. Mist. =)
AntwortenLöschenVielleicht bin ich zu dem Thema auch bereits etwas negativ vorbelastet, weil ich vor ein paar Jahren mal einen Internetbekannten hatte der... äh... also wenn man alle Klischees über 4chan Benutzer in eine Person stecken würde, dann käme er wohl dabei heraus. Übergewichtig, arbeitslos, etc. Der hatte auch sehr das Bedürfnis nach einem Mädchen neben dem er groß und stark wirken konnte, und ich wette inzwischen hat er eine der größten K-on Hentai Sammlungen der Welt.
Aber gut, dass andere anscheind Realität und Fiktion besser auseinander halten können. =)
[...] (biomecha.wordpress.com, Miew) Der dritte und letzte Artikel der Japanisch Lernen Reihe von Miew. Diesmal geht es um Kanji und damit verbunden um Programme zum Nachschlagen der Zeichen, sowie weiteren kleinen Tipps rund um das Thema Japanisch lernen. 3. „Wie entstandt der Moe-Wahn?“ [...]
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