12.07.2010

Deutschland vs. Japan 2 - Öffentliche Verkehrsmittel & Waschmaschinen

Öffentliche Verkehrsmittel

Vermutlich kennt jeder die lustigen Videos aus japanischen Bahnen, in denen behandschuhte Helfer die Passagiere in den Wagen pressen damit sich die Türen schließen können. Das Bild sagt man normalerweise der Yamanote Linie nach, einer Zugstrecke die mitten in Tokyo im Kreis fährt und dabei an vielen bekannten Stationen wie eben Tokyo Station, Ueno, Shibuya und Shinagawa halt macht. Einmal Rund fahren dauert ca. eine Stunde.
Ich bin eine ganze Weile fast jeden Tag mit dieser Linie zur Arbeit gefahren und so voll, dass Leute von aussen schieben mussten war es ehrlichgesagt nie. Vielleicht hätte ich dafür aber auch nur früher kommen müssen.
In anderen Zügen, vor allem solchen die aus dem Kern Tokyos heraus führen, ist es allerdings hin und wieder tatsächlich so eng, dass man nicht mehr umfallen kann und dafür aber von anderen Passagieren wortwörtlich plattgedrückt wird.

Wobei, im deutschen Schulbus wurde ich als Kind schon an's Plattdrücken gewöhnt, denn aus irgendeinem Grund waren viel zu wenig Busse vorhanden, und zum Teil wurden Kinder tatsächlich an der Haltestelle zurückgelassen, weil sie nicht mehr in den Bus gepasst haben. Das klingt dann natürlich beim Lehrer nach einer ziemlich beknackten Ausrede. Die Glücklichen, die in den Bus rein gekommen sind, wurden natürlich auch zusammen gepresst, dass beim Öffnen der Türen die Leute sofort auf den Bürgersteig gepurzelt sind. Aber nagut, die Standardsituation ist das in Deutschland sicher nicht.

Was mich am deutschen Bahnsystem schon immer wundert, ist die Handhabung der Fahrkartenkontrolle.
Man kauft sich am Schalter oder Automat ein Ticket, betritt damit den Zug und zeigt es vor wenn man kontrolliert wird. Wird man nicht kontrolliert, steigt man darum immer mit dem Gedanken aus "Eigentlich hätte ich mir das Geld nun auch sparen können." Die deutsche Bahn scheint ihre Kunden wirklich zum Schwarzfahren treiben zu wollen. Schwarzfahren oder nicht ist in Deutschland einzig und allein eine Sache der Risikobereitschaft, denn niemand hält einen ab auch ohne Ticket in den Zug zu steigen.

Einmal sprach mich in der Frankfurter Ubahn eine Frau in gebrochenem Englisch an und fragte, wo man denn die Fahrkarten einstecken solle, ob die Automaten in den Zügen seien. Ich habe ihr erklären müssen, dass man mit den Karten garnichts macht, außer sie in seinem Besitz zu haben. Mal Hand auf's Herz, wer kauft sich in Frankfurt für die paar Stationen vom Bahnhof zur Zeil denn extra eine Fahrkarte?

An japanischen Bahnhöfen gibt es Schranken, die einen garnicht erst durch lassen wenn man kein Ticket einschiebt. Man kauft sich eine Karte, gelangt mit dieser zum Bahnsteig und kann dann theoretisch hinfahren wo man will, denn kontrolliert wird in den Zügen nicht. Wenn man jedoch nur eine 340 Yen Karte hat, dann kommt man auch nur an den Stationen wieder heraus bis zu denen man mit 340 Yen fahren kann, ansonsten muss man eben einfach nachbezahlen.
Einfacher ist es, sich eine "Suica" Karte zu holen, die ist so groß wie eine Kreditkarte und kann an den Automaten im Bahnhof aufgeladen werden. Man lädt die Karte also z.B. mit 5000 Yen auf, hält sie beim Betreten des Innenbereichs auf einen kleinen Sensor und beim Verlassen ebenfalls. Der korrekte Betrag wird dann automatisch abgezogen, so dass man sich garkeine Gedanken machen muss.
Wenn man sich zwischendurch einmal verfährt ist es auch nicht schlimm, denn man kann eigentlich immer einfach aussteigen und den Zug auf dem gegenüberliegenden Gleis nehmen um direkt wieder zurück zu fahren. Kosten entstehen dabei keine, denn es werden ja nur die Kosten vom Start zum Zielbahnhof kalkuliert, wo man zwischendrin hin fährt ist egal, solang man nicht aus dem Bahnhof heraus geht.

Als ich zuletzt in Deutschland war, hing an einem Bahnhof übrigens ein Schild "Verkauf von Fahrkarten an den Schaltern, Automaten oder direkt in den Zügen der deutschen Bahn." Das stand da, ja. Als ich dann in dem Dorf, in dem ich war, gerade so den Zug (der nur einmal pro Stunde fährt) erwischt habe, bin ich natürlich direkt eingestiegen und wollte mir die Karte beim Schaffner holen. Der Dialog lief ca. so:
"Ja, eine Fahrkarte bitte"
"Das geht net, da müssense am Automat kaufen."
"Aber wenn ich jetzt zum Automat gehe um mir die Karte zu holen dann fährt der Zug hier doch sicher ab."
"Ja..."
"Am Bahnhof stand aber, dass man Fahrkarten auch in den Zügen kaufen kann!"
"Dann stand das da falsch."
"......"
"Also wenn se mir versprechen nachher noch ne Karte zu kaufen, dann dürfen se jetzt mit fahren."
"Ok, versprochen."
Ich habe mir dann keine Karte mehr gekauft.

Das deutsche System ist hier deutlich seltsamer. Es hat aber natürlich für den Kunden den zweifelhaften Vorteil, dass er auch einfach mal eine Station oder zwei ohne größeres Risiko schwarz fahren kann.

Waschmaschinen

So technikbegeistert Japan auch sein mag, in Sachen Waschmaschinen scheint es einige Zeit hinterher zu hinken. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass ein Großteil japanischer Waschmaschinen nicht mal Heißwäsche unterstützt. Das Wasser bleibt so kalt, wie es aus dem Wasserhahn kommt.

Im Gegensatz zu deutschen Waschmaschinen, die man von vorn befüllt und dann luft- und wasserdicht  verschließt, kommen in japanische Waschmaschinen die schmutzigen Klamotten von oben herein. Der Deckel "liegt" nämlich die meiste Zeit einfach nur auf der Waschmaschine, erst beim Trockenschleudern lässt sich dieser nicht mehr öffnen, und schließt auch nicht wasserdicht ab.
Trotzdem spritzt natürlich während dem Waschvorgang kein Wasser heraus, und als Pluspunkt lässt sich zumindest anführen, dass man auch noch mal eine Socke nachwerfen kann die später noch auftaucht.

Die oben genannten Dinge sollten ein wenig Aufschluss über die Waschqualität  japanischer Waschmaschinen geben. Oder mit anderen Worten: Macht die Sachen garnicht erst schmutzig.
Schlimmere Flecken muss man mit der Hand vorbehandeln, sonst hat man sie auch nach dem Waschen noch drin.

Die Unzulänglichkeit der häuslichen Waschmaschinen ist anscheinend auch der Grund dafür, dass in Japan an jeder Ecke eine Reinigung zu stehen scheint. Ich weiß nicht wie viele Reinigungen auf 1000 Einwohner kommen, und man darf natürlich die Bevölkerungsdichte nicht unterschätzen, aber wenn ich es mit der einen Reinigung vergleiche die in Deutschland unser ganzes Dorf hatte... und das hatte bestimmt mehr Einwohner als in Japan von einer Reinigung zur nächsten leben.

Eine Zeit lang hatte ich in Japan garkeine Waschmaschine, und da es zu teuer ist die Sachen immer in die Reinigung zu bringen (Obwohl die an sich garnicht soo teuer sind, aber dennoch keine Lösung für die täglich anfallende Wäsche), musste ich in einen Waschsalon gehen. Die Waschmaschinen dort haben natürlich auch nur Kaltwäsche. Einmal ist eine Hose während dem Waschen ein bisschen nach oben aus der Trommel gerutscht und wurde dann oben in der Maschine regelrecht abgeschliffen und total verwatzt. Vermutlich war es auch meine Schuld, weil ich die Maschine zu voll gemacht habe, aber ein wenig traumatisierend war es schon.

Es gibt übrigens auch in Japan "ordentliche" Waschmaschinen. Ob die teurer sind als in Deutschland kann ich nicht sagen, da ich auch die Preise deutscher Waschmaschinen nicht kenne. Ich vermute mal, dass die Preise sich nicht viel nehmen, zumindest ist das bei Technik meist so der Fall. Es steht also jedem auch in Japan frei, sich eine bessere Waschmaschine zu kaufen (und damit eine eigene Reinigung zu eröffnen), aber sehr weit verbreitet sind eben die oben beschriebenen Kaltwäsche Geräte. Die stehen bei kleineren Appartements auch oft vor der Haustür.

Vielleicht liege ich auch daneben, und tatsächlich haben doch schon mehr Leute die guten Waschmaschinen als ich dachte. Ich persönlich habe jedenfalls mit deutschen Waschmaschinen die besseren Erfahrungen gemacht.

Ach ja, japanische Autos haben übrigens fast alle eine Automatik Gangschaltung.
Ich weiß nicht wie es in anderen Ländern ist, anscheind ist in den USA Automatik auch sehr weit verbreitet. Im Grunde sticht hier Deutschland als sehr konservativ heraus, denn Automatik ist dort eher eine Rarität. Aber es liegt ja nicht an mangelnder technischer Verfügbarkeit, dass man in Deutschland keine Automatik einführt, schließlich ist Deutschland für seine Autos bekannt und berühmt. Puristen erzählen einem gern, man hätte mit manueller Schaltung bessere Beschleunigung oder was auch immer. Ich weiß es nicht. Da ich in Deutschland fahren gelernt habe und dementsprechend auch mit manueller Schaltung, kommt mir japanisches Autofahren immer ein wenig wie "Autoscooter" vor, mit beiden Händen am Lenkrad und zwei Pedalen. Ich denke mal den meisten Deutschen wäre Automatik wohl einfach zu langweilig. Das Autofahren mit manueller Schaltung ist in Deutschland quasi "Kulturgut", auch wenn sicher die meisten Deutschen nicht mal bewusst darüber nachdenken.
Aus japanischer Sicht ist es natürlich seltsam, wieso man sich in der Hinsicht quasi gegen den Fortschritt der Technik sträubt. Aber der Vergleich lässt einen vielleicht besser verstehen wieso in Japan zum Beispiel (wie im vorigen Artikel beschrieben) in Supermärkten keine Fließbänder sind. Manchmal hat die weniger technische Lösung eben ein gewisses Gefühl, dass man anders nicht bekommt.
Der gleiche Grund wieso manche Leute noch gern Musik von Schallplatten hören. =)

PS: Ach ja, wie konnte ich es nur vergessen? Die Sitze in japanischen Zügen sind übrigens NICHT total kaputt und dreckig oder fleckig, wie es in deutschen  Zügen Standard ist. Da die Japaner genug Disziplin haben im Zug nicht gleich das Frühstück auszupacken oder gar die Sitze mit Taschenmessern auf zu schneiden, wie es in Deutschland üblich ist, kann man es sich darum auch leisten relativ schöne Sitze mit Polstern einzubauen. Die sind zwar auch eher funktional gehalten, kein Wunder bei der Menge an Passagieren die jeden Tag ihren Allerwertesten darauf pflanzen, aber wie gesagt eben nicht total verhunzt. Auch an den Bahnhöfen und sonst wo ist nicht alles voll mit Graffiti und Schmierereien. Solche Sachen findet man auch in Japan, allerdings weit seltener. Die schwarzen Flecke von irgendwann mal weggespuckten Kaugummis sind aber auch da.
Es gibt in Japan auch funktionierende Wasserspender an Bahnhöfen oder anderen Orten. Also diese Dinger, aus denen eine Fontäne nach oben kommt von der man dann trinken kann. Die Dinger, die in Deutschland von einer Bande Jugendlicher kaputt gemacht werden noch ehe die Bauleute die sie eingesetzt haben außer Sichtweite sind.

5 Kommentare:

  1. Hey Miew,

    wiedermal ein unterhaltsamer und sehr informativer Artikel zu Japan. Find ich toll. Aber so langsam werd ich echt neugierig. Was genau machst du denn im Land der aufgehenden Sonne? Und seit wann bzw. wie lange bist du noch dort?

    Nochetwas zum Abschnitt über die japanische Bahn: das Wichtigste haste aber gar nicht erwähnt... wie siehts denn mit der Pünktlichkeit der Züge aus? :)

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  2. Das Ticketsystem in Deutschland is echt schrottig. Aber diese Schranken und so kann man nur im Nahverkehr einsetzen. In China is das auch so und in der Englischen U-Bahn auch. Teils wohl auch in Deutschland. Denn die Strecke München-Kiel kannste wohl kaum mit diesem System abrechnen.
    Die Waschmaschinen kenn ich auch aus China. Fands erst ziemlich cool, dass man immer was nachwerfen kann, aber wirklich gut waren die nich..
    In Schaltautos kann man wirklich besser Gas geben, da man die Gänge mehr ausfahren kann. Allerdings haben viele Automatikwagen hier die Kickdown Funktion, bei der ein Gang runtergeschaltet wird und Vollgas gegeben wird. Damit geht der Wagen auch ziemlich ab. Automatik ist wirklich sehr bequem und man kann nebenbei noch was essen. Das is schon praktisch. Gleichzeitig verbraucht es auch ein wenig mehr Benzin, egal wie ökonomisch das Ding schaltet. Muss jeder selbst wissen. Ich würd mir wohl ein Schaltauto holen, weils irgendwie mehr Spaß macht. Bin aber auch schon Automatik gefahren und könnts mir auch angewöhnen.

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  3. Also ich bin jetzt seit etwas über 2 Jahren in Japan, abgesehn von einigen kurzen Unterbrechungen von ein paar Tagen. Ich arbeite hier und bleibe erstmal auf unbestimmte Zeit im Land. Ideal wäre es, wenn ich irgendwann eine Arbeit finden könnte bei der ich beruflich auch öfter mal nach Deuschland komme. Obwohl mir fliegen ja eigentlich überhaupt nicht liegt.

    Die Züge in Japan sind sehr pünktlich. Ginge vermutlich auch nicht anders, da sonst der ganze Fahrplan durcheinander kommen würde.
    Ich denke München-Kiel könnte man theoretisch schon auf die gleiche Art abrechnen, zumindest geht es in Japan ja auch mit Tokyo-Kyoto oder dergleichen (Wenn man den Shinkansen nimmt braucht man nochmal ein extra Ticket, aber die Schranke hat man da auch wieder).

    Ah ja das mit dem Benzinverbrauch scheint in Japan eh kein Ding zu sein. Zum einen ist das Benzin billiger, und zum anderen lassen die Leute eh oft ihre Autos laufen während sie 10 Minuten oder länger einkaufen gehn, oder sonst irgendwas machen. Einmal bin ich abends heim gegangen und da stand am Straßenrand ein laufendes Auto in dem niemand saß, und es war auch niemand in Sichtweite. Genauso schonmal ein laufendes Motorrad.

    Ach ja, ich kann jedem der in Japan Urlaub machen will nur den "Japan Rail Pass" empfehlen, besonders wenn man vorhat mit dem Shinkansen zu fahren. Da kann man ne Menge sparen, den der ist echt extrem teuer, besonders zur Kirschblütenzeit. Als ich im Frühjahr nach Kyoto gefahren bin hat allein die Sitzreservierung 7000 Yen oder so gekostet.

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  4. [...] (biomecha.wordpress.com, Miew) Miew widmet sich hier einem Mentalitätenvergleich zwischen Deutschland und Japan anhand alltäglicher Beispiele. Eine interessante Beitragsreihe mit „Ach so ist das!“-Effekt. 3. „Deutschland vs. Japan 2 – Öffentliche Verkehrsmittel & Waschmaschinen“ [...]

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  5. deinem Beitrag kann ich nur zustimmen als ich von meinem Urlaub zurück gekommen bin und in die erste U-bahn wieder eingestiegen bin, hab ich direkt n Kulturshock in deutschland erlebt obwohl ich hier Leben^^ Die verfassung der Bahnen in deutschland ist so grauenhaft schlimm, ich habe mir gewünscht wieder zurück zu fahren (werde ich natürlich nächstes jahr wieder tun ;))jedoch muss ich zu den Waschmaschienen wiedersprechen, die was ich in den Kaufhäusern gesehen haben die waren ja so richtig abgespaced was Technik und design anbelangt und der preis war knap 200 Euro gunstiger als hier dennoch toller Beitrag...solltest mal das verhalten von Abfallbeseitigung auf den Strassen in Deutschland und Japan machen (klarer sieg für Japan)

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